Prolog

 

Das darfst du nicht! Sie sind unsere Rettung, ohne sie werden wir aussterben!«

Der Vampir wich kriechend zurück, schürfte sich dabei die Knie auf den rauen Steinfliesen der Gewölbekammer auf. Die Wunden bluteten, heilten aber sogleich, nur um wieder aufzugehen, sobald er weiterkroch.

»Ach ja?«, höhnte der Wissenschaftler und trat mit wallender schwarzer Robe bedrohlich einen Schritt näher. »Wo sind dann deine kostbaren ›Auserwählten‹? Warum kommen sie nicht, um dich zu retten?«

Der Vampir war inzwischen bis an die Wand zurückgewichen und hob beschwörend die Hände.

»Warum tust du das? Du weißt, dass nur wenige von uns das zeugungsfähige Alter erreichen. Unsere Zahl schrumpft mit jedem Jahrhundert. Wir sind ein aussterbendes Volk! Ohne die Auserwählten sind wir verloren!«

»Genug!«

Beide Männer drehten sich zu der Stimme um und sahen Ramil aus dem Halbdunkel hervortreten. »Ich hätte bessere Manieren von dir erwartet, Wissenschaftler. Hat man dir nicht beigebracht, dass mit dem Essen nicht gespielt wird?«

Ehe einer der beiden Männer reagieren konnte, hatte Ramil den am Boden kauernden Vampir am Kragen gepackt und auf einen langen Holztisch geworfen. Er beugte sich über ihn und flüsterte: »Du irrst dich, mein Freund. Die Halbblüter, die du ›die Auserwählten‹ nennst, sind nichts als Missgeburten. Sie werden sterben, auch wenn du dich weigerst, sie zu töten. Aber keine Sorge, mittlerweile habe ich auch für dich eine passende Verwendung gefunden.«

Mit glitzernden Augen packte Ramil den Kopf des Vampirs und schlug ihn brutal auf den Tisch. Als er sah, wie sein Opfer die Augen verdrehte, blickte er zu dem Wissenschaftler hinüber und lächelte. »Nimm es.«

Der Wissenschaftler mit dem kahlen Schädel nickte und trat flink an den Tisch. Ohne auf das Ächzen des wieder erwachenden Vampirs zu achten, trieb er seine Hand in dessen Brust und riss ihm das noch schlagende warme Herz heraus.

Ramil hatte dieses Experiment befohlen, also würde er es durchführen. Aber es würde fehlschlagen, das wusste er jetzt schon. Mit dem warmen Herzen in den blutüberströmten Händen nickte er dem Wachtposten zu. Dieser verschwand, um die Gefangene zu holen.

»Du bist ja so schweigsam, Wissenschaftler.« Ramil hatte sich stirnrunzelnd wieder zum Fenster zurückgezogen. »Sag bloß, du machst dir Sorgen?«

»Bei allem Respekt, Anführer, ich glaube nicht, dass das Mädchen durch das Verspeisen dieses Herzens in einen Vampir verwandelt wird.«

Ramils Augen blitzten gefährlich auf, aber der Wissenschaftler wusste, dass er sich jetzt nicht einschüchtern lassen durfte. Seine Worte mochten den Anführer der Wahren Vampire erzürnen, aber das war nichts gegen das, was passieren würde, wenn das Experiment fehlschlug. Und es würde fehlschlagen.

»Ich weiß nicht, wer dich auf diese Idee gebracht hat, Anführer, aber ich bin der Überzeugung, dass allein eine Bluttransfusion einen Menschen umwandeln kann. Erlaube mir, dir die Vorrichtung zu zeigen, die ich erfunden habe ...«

»Zuerst werden wir es so versuchen«, schnitt Ramil ihm das Wort ab.

Der Mond schien durchs Fenster und ließ die Fangzähne des Anführers aufblitzen. Er schloss die Augen, und seine Gesichtszüge entspannten sich, während ein verträumter Ausdruck über seine Miene glitt.

»Wir werden die Auserwählten vernichten, aber in der Zwischenzeit wirst du einen Weg finden, Menschen in Vampire zu verwandeln. Es genügt nicht, eine Vermischung unserer Spezies mit den Menschen zu verhindern! Wir Vampire sind dazu bestimmt, die Welt zu beherrschen, aber das wird uns erst gelingen, wenn wir es schaffen, uns in ganz anderem Umfang zu vermehren!«

Der Wissenschaftler nickte. Vampire waren Menschen in jeder Hinsicht überlegen - und dennoch lebten sie im Verborgenen, aus Angst, von der unterlegenen Spezies entdeckt zu werden. Und wieso? Weil diese Spezies Millionen zählte und sie selbst nur ein paar Tausend waren.

»Nein, nein, ich will nicht!«, schrie das Mädchen, das in diesem Moment von einem Vampir-Wachtposten in den Raum gezerrt wurde.

»Und da ist auch schon unser charmanter Gast«, spottete Ramil. Seine Augen färbten sich rot. »Wissenschaftler?«

»Ja, mein Führer?«

»Sorge dafür, dass sie es isst.«

Ein grausames Lächeln umspielte die schmalen Lippen des Glatzkopfs. Er drückte das Herz in seiner Hand sanft zusammen. Das würde er dem schluchzenden Mädchen in den Rachen stopfen. Und wenn sich daraufhin keine Wandlung vollzog, würde Ramil ihm befehlen, sie zu beseitigen.

Er leckte sich gierig die Lippen. Ja, er würde sie beseitigen. Aber nicht, bevor er sich nicht an ihrem Blut satt getrunken hatte.

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